Eskalation in Augsburg
Es ist doch immer das gleiche. Es gibt nie Karten für Borussia Dortmund, niemand versteht wie immer die gleichen Personen Tickets für die Spiele in München, gegen Barca oder selbst in Köln bekommen und generell ist die Tickethotline unfair, man hat ja schließlich um halb neun zu arbeiten. Dieses und weiteres Mimimi müssen sich viele unserer Mitglieder wie auch die meisten der aktiveren Fans unserer Borussia ein ums andere Mal anhören. Umso verwunderlicher ist es dann doch, dass sich zu Spielen im Januar in Augsburg nur die Leute aufraffen können, mit denen man so oder so jedes zweite Wochenende die Republik und von Zeit zu Zeit auch Europa unsicher macht.
Doch genug der allgemeinen Gesellschaftskritik, hin zum ersten Spielbericht des Jahres 2020, rein in ein neues Jahrzehnt, welches noch kein neues Jahrzehnt ist. Und als am Samstag früh morgens nach langer Arbeits- oder Uniwoche an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet die Wecker klingelten, konnte man kurz die Nörgler und Quengler in ihren warmen Betten beneiden. Aber es hilft ja alles nichts, Borussia spielt und wenn schon die Spielkunst auf dem Rasen aktuell nicht immer die große Gefühlsexplosion verspricht, so dann doch immer wieder die netten Stunden mit den Freunden und Bekannten.
Dem ein oder anderen sah man zur Abfahrt um sechs in der Früh die Strapazen des Freitagabends noch deutlich an, war doch die Quote an Jogginghosen und Adiletten deutlich erhöht. So entstand auch ein kulinarisches Novum, hatte doch ein Freund des Fanclubs in Ermangelung von Zeit schnell alles an Verpflegung eingepackt, was der heimische Kühlschrank hergab. So oder so erfreuten sich die zweieinhalb Kilogramm Karotten nicht geahnter Beliebtheit.
Die Fahrt an sich verlief ohne größere Probleme, doch trotz wirklich zeitiger und überraschend pünktlicher Abfahrt erreichte man erst gute 45 Minuten vor Anpfiff den üblichen Anreisestau vor der Augsburger Arena in der Peripherie vor den Toren der Stadt. An dieser Stelle hat sich unser Busfahrer Waldemar ein großes Sonderlob verdient, lies er doch die stehenden Wagenreihen im wahrsten Sinne des Wortes rechts liegen und zog am Rückstau der Ausfahrt vorbei, nur um dann direkt vorne wieder einzuscheren. Diese Manöver und dein Talent an den Spielautomaten aller Raststätten der Republik machen dich zu einem unverzichtbaren Teil unseres Clubs.
So erreichten wir pünktlich eine weitere Nullachtfuffzehn-Arena mitten im Nichts, deren einziger Vorzug der Busparkplatz direkt neben dem Gästeeingang ist. Nach sinnlos langen Kontrollen positioniere sich der Großteil unserer Gruppe standesgemäß mitten im Gästeblock und startete diesmal ohne große Vorlaufzeit in das Spiel. Auf dem Platz merkte man den Lizenzspielern unseres Vereins die anscheinend lange Anreise ebenfalls an, starteten unsere Mannen doch pomadig in die Begegnung. Hazard bewarb sich um eine Anstellung bei den Puppenspielern, legte er doch den ersten Gegentreffer mustergültig auf und auch Akanji scheint auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber die Fuggerstädter ins Visier genommen zu haben, servierte er doch kurz nach der Pause butterweich für Richter. Beim Stand von 0:2 fragten sich wohl nicht wenige, warum man die Strapazen der weiten Reise für ein vermeintlich unattraktives Spiel wieder und wieder auf sich nimmt.
Eine erste Antwort auf diese Frage lieferte Julian Brandt wenige Zeigerumdrehungen später mit dem Anschluss, nur damit die Mannschaft diesen positiven Impuls mit dem dritten Gegentor des Tages wieder zunichtemachen konnte. Ein bisschen hatte das Spiel etwas vom Schüleraustausch der achten Klasse, erwartet man solch eine Abwehrleistung doch eher vom vermeintlichen Abstiegskandidaten aus dem Süden und nicht von einem selbsternannten Meisterschaftsanwärter.
Dass das Spiel nicht in der sich abzeichnenden Katastrophe endete, liegt wohl am Ruf und der Strahlkraft unseres BVB. Ohne diese und, man möchte es sich einbilden, ohne das Umfeld aus Fans, Unterstützung und Stadion, hätte ein Erling Braut Haaland wohl nie den Weg nach Westfalen gefunden. Eben dieser Erling Braut Haaland rettete die Borussia in der Folge mit einer Routine und Abgezocktheit, die wohl keiner von uns allen mit 19 Jahren bereits vorweisen konnte. Drei Tore in einer Halbzeit im ersten Spiel beim neuen Club in einer neuen Liga sind eine Ansage. Klar war es „nur“ Augsburg und klar läuft der Junge jetzt mit einem Rucksack wie für einen achtwöchigen Wanderurlaub in Nepal herum, dennoch macht dieser Auftritt Bock auf alles was noch kommen mag. Man möchte ihm einfach ein „Weiter so!“ mit auf den Weg geben und hoffen, er lässt sich von der Lethargie der Teamkollegen nicht anstecken.
Auf den Rängen konnten wir die Momente der Ekstase genießen und uns für einen halbwegs vorzeigbaren Auftritt in der Ferne und die weite Anreise belohnen. Nach dem Spiel wollten sich die ausgezerrten Seelen unter uns noch im Stadion kulinarisch versorgen, aber immerhin dies wussten die Augsburger unter gütlicher Mithilfe ihrer Arena-Card zu verteidigen. So ein schwachsinniges System Bedarf keiner weiteren Worte.
Die Rückfahrt verlief dementsprechend heiter mit den üblichen Späßen und Albernheiten neben dem ein oder anderen Kaltgetränk. Dem Autor dieser Zeilen gelang im Laufe des Abends auch noch der ganz persönliche Hattrick aus Bockwurst, Backfisch und Burger King. Und so möchten wir diesen ersten Bericht des neuen Jahres mit einem Zitat schließen, welches uns den Tag über begleiten durfte:
Ey, du Fotze
Sag, was trägst du unterm Rock?
Ich hab’ ‘ne richtig große Keule
Sag mir, Baby, hast du Bock?
Und sie sagt
Ey, du Wichser
Mann, was laberst du mich zu?
Du hast ‘n richtig kleinen Pimmel
Und die Fotze, die bist du!